Ziemlich schlechter – anstatt ziemlich bester Ruhestand? Welcome Three-Quarter Life Crisis!

Facebook
Twitter
LinkedIn

Fast jeder Dritte hat sie – aber was ist die Three-Quarter Life Crisis eigentlich genau? Wen betrifft sie? Was sind die Ursachen? Was sind die Symptome? Welche Chancen bietet die Krise dennoch auf einen zufriedenen und erfüllten Ruhestand?

Jeder erlebt Krisen im Leben. Bei Krankheiten, bei der Beendigung von Beziehungen und Trennungen, beim Tod geliebter Menschen, in der Familie oder auch im Beruf. Krisen gibt es in fast jeder Lebensphase. Die Quarter Life Crisis tritt im Alter von 18 bis 30 Jahren beim Übergang in das Berufsleben auf. Die Midlife Crisis tritt eher im mittleren Lebensalter von 40 bis 55 auf und ist mit der bisherigen Lebensbilanz und dem Gefühl verbunden, etwas verpasst zu haben. Das neue Phänomen der Three-Quarter Life Crisis hingegen tritt eher in der Endphase des dritten Lebensviertel, insbesondere beim Übergang in den Ruhestand auf. Die Three-Quarter Life Crisis wurde erstmalig in einer umfangreichen Studie der The Australian Seniors Series – The 100 Year Lifespan Report [1] im Jahr 2020 näher erforscht.

Was ist die Three-Quarter Life Crisis?

Nach den Ergebnissen der umfassenden Studie hatten fast ein Drittel der Befragten (31,9%) mit den Folgen einer Three-Quarter Life Crisis zu tun, insbesondere mit Depressionen (46,8%). Und fast jeder zweite der Befragten (45,9%) hatte bereits mittelbar in seinem Umfeld mit einer Three-Quarter Life Crisis zu tun. Allerdings gaben auch 67,1% an, dass die mit dieser Krise zusammenhängende Neubewertung ihres Lebens und ihrer Prioritäten positive Auswirkungen für ihre Zukunft hatte.    

Aufgrund der längeren Lebensdauer verschieben sich auch die verschiedenen Phasen in unserem Leben, insbesondere das der Babyboomer. Auch persönliche Krisen passieren dadurch jetzt später. Hatten früher Menschen in den 40gern und 50gern ihre Midlife Crisis (Seitensprünge, Sportwagen, Yogakurse auf Bali, quietschbunte Camp David Klamotten oder Bierbrauerei im Keller) verschiebt sich diese Phase jetzt in die 60ger oder sogar 70ger Jahre. Das entscheidende Ereignis und damit der wichtigste Auslöser der Krise ist die Beendigung der regulären Erwerbstätigkeit und der Beginn der Rente.

Was sind die Ursachen der Three-Quarter Life Crisis?

Grundsätzlich gibt es bei der Frage nach den Ursachen der Three-Quarter Life Crisis mehrere Antworten, die von sehr vielen verschiedenen Faktoren abhängen. Zum Beispiel vom ausgeübten Beruf, von den persönlichen Lebensumständen und natürlich auch von der eigenen gesundheitlichen Verfassung. Es kommen beim Rückblick auf das bisherige Leben grundsätzliche und sehr elementare Fragen auf den Tisch, die sich viele Babyboomer wahrscheinlich so noch nie gestellt haben. Auch weil sie, anders als die folgenden Generationen, relativ unreflektiert durch ihr Leben gerauscht sind. Es ging für sie wirtschaftlich fast immer aufwärts. Abgesehen von der Ölpreiskrise, dem Kalten Krieg und der Finanzkrise haben sie kaum gesellschaftliche Krisen am eigenen Leib erfahren. Ihr Motto war und ist „Wir leben, um zu arbeiten“.  

Und erst dann, wenn der Rentenbeginn sich am Horizont langsam abzeichnet und immer näher rückt, beginnen viele über ihr Leben zu reflektieren, kommen Fragen über den Sinn des Lebens, zur eigenen Persönlichkeit, zum Selbstwert oder auch zu sozialen Bindungen auf. Ursache für die Krise bei der Beendigung der beruflichen Tätigkeit sind zunächst einmal Umstände, die eher elementarer Natur sind und auf einen großen Teil der zukünftigen Ruheständer zutreffen:

  1. Beim Ausscheiden aus der Erwerbstätigkeit handelt sich um das Ende der vermutlich längsten Lebensphase. Es gibt Menschen, die als Auszubildender mit 18 Jahren begonnen haben und danach über 45 Jahre gearbeitet haben. Bei diesen Menschen findet der wahrscheinlich größte Umbruch oder Übergang in ihrem Leben statt. Vergleichbar nur mit Ereignissen wie die Einschulung, das Ende der Ausbildung oder des Studiums bzw. dem Berufsstart, Hochzeit, Geburt oder dem Tod von wichtigen Menschen. Und niemand hat sie jemals auf diesen Übergang vorbereitet.
  2. Das Ende dieser Lebensphase bedeutet Verlust. Den Verlust von Gewohnheiten, von liebgewonnenen Strukturen und Routinen, von sozialen Kontakten zu Kollegen, von Anerkennung und Wertschätzung und von Erfolgserlebnissen. Den Verlust von Aufgaben, von Zugehörigkeit zu einem vertrauten, sozialen System. Und es bedeutet durch den Wechsel in das Rentensystem natürlich auch den Verlust von Einkommen und damit Lebensstandard.
  3. Man beginnt sich mehr Gedanken um das Altern und seine eigene Endlichkeit zu machen. Man wird sich bewusst, dass sich Körper und Geist im Alter verändern und andere Sportarten, andere Ernährung und andere geistige Tätigkeiten benötigen werden. Man denkt eher an das Ende seines Lebens und an den Tod. Man wird sich bewusst, dass das Leben zu drei viertel vorüber ist.

Neben diesen eher elementaren Gründen gibt es viele andere individuelle Faktoren, die alle mehr oder weniger mit den bereits genannten Ursachen zusammenhängen:

  1. Man sieht einem neuen Lebensabschnitt und damit einer ungewissen Zukunft entgegen, auf die man sich nicht vorbereiten hat. Man hat keine Orientierung und vermisst den Sinn des zukünftigen Lebens.
  2. Babyboomer haben in der Regel später als ihre Eltern eine Familie gegründet, Sie haben daher auch später Kinder bekommen. Ihre Kinder werden dadurch später erwachsen und verlassen das Elternhaus oft erst zu der Zeit, in der die Eltern in den Ruhestand gehen. Oder müssen sogar weiterhin finanziell gefördert werden, was mit normalen Rentenbezügen schwieriger wird.
  3. Viele Kinder haben heute selbst mit einer Quarter-Life Crisis zu kämpfen. Die Folgen der Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Wirtschafts-, Energie- und Migrationskrise sowie die immer näher rückende Klimakrise und der demographische Wandel zuungunsten der nachfolgenden Generation verdunkeln ihre Zukunftsperspektiven zusehends.
  4. Das Haus bzw. die Wohnung ist leer. Ehepaare werden zu Empty Nestern. Das Haus muss möglicherweise verkleinert oder sogar verkauft werden
  5. Man war Workaholic und/oder hat in der Arbeit seine Erfüllung und seine sozialen Kontakte gefunden, ohne dabei ein privates soziales Netz aufgebaut zu haben.
  6. Man hat sich mit seinem Partner auseinandergelebt, ohne es bemerkt zu haben. Es kommt nach dem Eintritt des Rentenereignisses zu ständigen Reibereien mit dem Partner und/oder zur Trennung.
  7. Der Übergang vom Mitarbeiter zum Rentner ist dabei umso schwieriger, je stärker die täglichen Routinen und das soziale Netzwerk vom Beruf abhängen. Mit dem Verlust der geliebten und sinnstiftenden beruflichen Tätigkeit verlieren viele Berufstätige zugleich ein Stück ihrer sozialen Identität und den mit ihrem Beruf jahrelang eng verbundenen Status. Typische Beispiele dafür z.B. Vorstände und Geschäftsführer von großen Unternehmen, Richter, Hochschulprofessoren, Chefärzte, Wissenschaftler, Architekten, Politiker, Künstler, Schriftsteller etc. Viele dieser Personen versuchen daher lange im Job zu bleiben, um das Ende und damit die mögliche Leere so weit wie möglich hinauszuschieben.

Was sind die Symptome einer Three-Quarter Life Crisis?

Bei Ruheständlern gilt das erste halbe Jahr nach dem regulären Renteneintritt als eine für die eigene Gesundheit sehr gefährliche Phase, in der es sehr oft zu psychischen und physischen Krankheiten bis zu Depressionen und Herzinfarkten kommen kann.  Symptome für eine vorhandene oder sich anbahnende Krise können dabei sein:

  1. Aufkommende Langeweile ohne eine richtige Aufgabe im Alltag. Nach einer ersten Phase, in der man mehr oder weniger glücklich und entspannt in den Tag hineinlebt. Sich ausruht, viel länger schläft als sonst, lange frühstückt, viel liest, ständig verreist ist, sich um den Garten und/oder den Haushalt gekümmert hat. Irgendwann beginnt man sich zu langweilen, es bestehen keine festen Strukturen im Alltag und keine Aufgaben, die auf einen warten.
  2. Streit mit dem Partner, dem man auf die Nerven geht, weil man niemals zuvor so lange zuhause zusammen gewesen ist.
  3. Es fehlt die Motivation morgens aufzustehen. Man bekommt schlechte Laune, unternimmt wenig und nimmt an Gewicht zu. Man wird mich sich selbst unzufrieden, lebt seinen Frust an anderen Menschen aus und wird immer mehr zu einem mürrischen und gereizten alten Menschen, der überwiegend in der Vergangenheit lebt.
  4. Man beginnt seine Lebensleistungen und Lebensentscheidungen zunehmend kritisch zu hinterfragen und bereut und bedauert, was man alles versäumt und nicht erreicht hat. Und was nicht mehr nachholen kann.
  5. Man vergleicht sich zunehmend mit anderen und stellt fest, dass es andere besser getroffen haben.
  6. Man denkt viel über Krankheiten nach und sorgt sich um seine Gesundheit. Man denkt zunehmend über die eigene Sterblichkeit und sein Vermächtnis nach.
  7. Die intensive Zeit zum Nachdenken und Reflektieren über den Sinn und Zweck des eigenen Lebens führt zu Gefühlen von Reue, Groll, Angst und ggfs. Depressionen
  8. Man zieht sich zunehmen aus sozialen Kontakten oder Aktivitäten zurück und verliert dabei Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen.

Welche Chancen bietet die Krise?

Die Three-Quarter Crisis ist eine Phase der Unzufriedenheit, die viele Menschen im letzten Viertel ihres Lebens erleben. Sie kann aber auch eine Chance bieten, über das eigene Leben zu reflektieren und es neu zu gestalten. Fast 70% der Untersuchten der Studie der Australian Seniors gaben an, dass die mit dieser Krise zusammenhängende Neubewertung ihres Lebens und ihrer Prioritäten positive Auswirkungen für ihre Zukunft hatte.    

Es gibt allerdings keine allgemeingültige Formel, wie man die Krise bewältigen kann. In jedem Fall sollte man sich professionelle Hilfe suchen, wenn die Krise zu belastend wird oder zu einer Depression führt. Therapeuten können dabei helfen, die eigenen Gefühle besser zu verstehen und neue Perspektiven zu entwickeln. Wie man durch Ruhestandscoaching seinen Ruhestand sinnvoll planen und gestalten kann, erläutern wir im Blogartikel mit dem Titel „Ziemlich bester Ruhestand – anstatt ziemlich ernste Krise? Goodbye Three-Quarter Life Crisis! „

Informationen über unsere Angebote zum Thema Ruhestandcoaching und Interne Fortbildungsmaßnahmen für Vorgesetzte und Mitarbeiter rund um das Thema Ruhestand finden Sie unter www.ziemlich-bester-ruhestand.de

Informationen über Einzelcoachings rund um berufliche Themen finden Sie unter www.peterlennartz.de sowie  www.unternehmensberatung-warnke.de


[1] The three-quarter life crisis, what is it? | Australian Seniors. https://www.seniors.com.au/life-insurance/discover/what-is-three-quarter-life-crisis.