Jung vs. Alt – wer führt besser ?

Facebook
Twitter
LinkedIn

Vor gut zwei Jahren lernte ich einen Studenten kennen, der zusammen mit seinen Freunden noch während des Studiums ein Startup gründete. Inzwischen hat dieses Startup mehrere Finanzierungsrunden hinter sich, viele neue Kunden gewonnen und sich insgesamt hervorragend entwickelt. Die immer noch sehr jungen Gründer führen inzwischen über 20 Mitarbeiter. Erst kürzlich berichteten sie allerdings kritisch über ihre ersten Führungserfahrungen und den damit verbundenen Alltagsproblemen mit ihren Mitarbeitern. Insbesondere wenn es um den Umgang mit älteren Angestellten oder mit älteren Geschäftspartnern ging.

Daher habe ich mir die Frage gestellt, ob man schon mit jungen Jahren oder aber erst mit steigendem Alter eine gute Führungskraft sein kann. Und was jede Führungskraft unabhängig vom Alter mitbringen sollte, um erfolgreich zu sein.

Ich habe sowohl sehr gute als auch sehr schlechte junge Führungskräfte erlebt. Aber auch bei den Älteren habe ich beides erlebt: wirklich gute ältere Führungskräfte und ebenso welche, bei denen man sich fragt, wie sie in diese Position gekommen sind. Bei den jüngeren Führungskräften lag die schlechte Performance meines Erachtens zu aller erst an fehlender Lebenserfahrung. Aber auch an fehlendem Respekt, fehlender Gelassenheit, fehlender Demut und fehlender Reflektiertheit bei einem gleichzeitig sehr hohen Erfolgs- und Leistungsdruck. Bei älteren Führungskräften lag es dagegen bei ähnlich hohem Leistungsdruck eher am fehlenden Charakter, an Über- oder Unterforderung in dieser Position und an fehlender Motivation.

Meine These lautet daher, dass man grundsätzlich unabhängig vom Alter gut führen kann. Zur Wahrheit gehört meines Erachtens aber auch, dass man bestimmte Führungsqualitäten erst durch eigene Erfahrungen, durch eigene Fehler und den daraus resultierenden Lerneffekten erreichen kann. Diese Erfahrungen gewinnt man erst in den unterschiedlichen Lebensphasen. Sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich.

Im Folgenden habe ich zehn Grundsätze aufgelistet, die meines Erachtens vollkommen unabhängig vom Alter jede gute Führungskraft mitbringen sollte um erfolgreich zu sein. Das notwendige Fachwissen dabei vorausgesetzt.

1. Liebe was Du tust

„Liebe was du tust, dann kannst Du immer tun was du liebst“. Diesen Satz von Albert Schweitzer in die Tat umzusetzen ist sicher leichter als gesagt. Aber irgendwann hat man sich für seinen Beruf entschieden, der im Idealfall zur Berufung wurde. Das kann der Beruf des Arztes sein, der Menschen hilft gesund zu werden. Das kann der Beruf des Rechtsanwalts sein, der Menschen in rechtlichen Angelegenheiten zur Seite steht. Das kann die Reinigungskraft sein, die im Krankenhaus für Sauberkeit sorgt. Das kann der Programmierer sein, der dafür sorgt, dass meine Online Bestellung reibungslos funktioniert. Und das kann der Gründer sein, der mit seinem Startup für eine bessere Bildung unserer Kinder durch entsprechende Online Angebote sorgt.

Jede Tätigkeit hat einen Zweck. Jede. Sich darüber im Klaren zu sein, warum man etwas tut – mit großer Leidenschaft und Hingabe oder auch nur des Geldes wegen – ist meines Erachtens zumindest der Schlüssel zu einem guten Gefühl über seine Arbeit. Im Idealfall ist es aber der Schlüssel zu einer erfolgreichen Karriere und einer erfolgreichen Führungskraft. Denn die Begeisterung und die Motivation des Vorgesetzten übertragt sich sehr viel einfacher auf die Mitarbeiter als bei einem uninspirierten Dienst nach Vorschrift.

2. Sei und bleib Du selbst

Authentische Menschen haben es oft leichter im Leben. Unsere Eigenschaften machen uns erfolgreich. Wir gründen Unternehmen, bekommen neue Aufgaben mit mehr Verantwortung oder werden befördert. Mit und wegen unseren Überzeugungen, unseren Werten, unserer Persönlichkeit, mit unseren Talenten und unserem Wissen.

Neue Rollen und äußere Faktoren geben allerdings oft den Anlass, sich zu verstellen. Nicht mehr der zu sein, der man eigentlich war. Um auf andere einen guten Eindruck zu machen, um Erwartungen anderer zu erfüllen. Eine neue Rolle als Führungskraft sollte uns allerdings keinen Anlass geben, sich zu verändern. Man muss nicht den „Big Boss“ spielen. Man muss nicht plötzlich autoritär, arrogant oder respektlos sein. Das macht uns unglaubwürdig, unzuverlässig und angreifbar.

Sich treu zu bleiben, weiterhin nach unseren Überzeugungen und Werten zu handeln, unsere Stärken und Schwächen zu kennen und sie offen gegenüber anderen zu vertreten ist daher ein weiteres wesentliches Merkmal erfolgreicher Führungskräfte.

3. Lerne und wachse

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass mit dem Aufstieg zur Führungskraft das Lernen endet. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Man lernt nie aus. Lernen, das der Verbesserung von Wissen, Qualifikation und Kompetenzen dient, findet heutzutage in jeder beruflichen und in jeder Lebensphase statt. Wer als Führungskraft erfolgreich sein möchte, braucht Lebenslanges Lernen als Grundeinstellung.

Wobei der Begriff „Lernen“ weit gefasst werden sollte. Man lernt in Schulungen und Fortbildungsmaßnahmen sowie durch Vorträge auf Kongressen. Aber man lernt auch aus seinen Fehlern und durch Scheitern. Man lernt durch Beobachten. Durch Lesen. Durch Schreiben. Durch Üben. Durch Zuhören. Durch Teamwork. Durch Austausch, durch Reden und Diskutieren. Durch Überwinden. Durch Ausprobieren und durch Machen.

Für Führungskräfte bedeutet Lernen zudem, sich Lösungskompetenzen anzueignen. Denn man wird unweigerlich mit Themen und Fragen konfrontiert werden, die bisher nicht auf der Agenda standen. Unterschiedlichste Fragen und Probleme zu lösen will gelernt sein. Ist man z.B. bei der Lösung von Konflikten erfolgreich, kann in Zukunft viel selbstbewusster, souveräner und entspannter auftreten als wenn der Konflikt ungelöst weiter vor sich hin schwelt.

4. Übertrage Verantwortung

Für mich gibt kaum ein besseres Führungskonzept als Verantwortung an Mitarbeiter zu übertragen. Es kann bedeuten, dass sich der Mitarbeiter eingebunden fühlt. Dass er sich als wichtiges Mitglied des Teams versteht. Dass er sich wertgeschätzt und motiviert fühlt. Dass er gefördert wird. Und auch gefördert, wenn er sich dadurch für andere Aufgaben empfehlen kann. Gleichzeitig entbindet es uns als Führungskraft von dieser Aufgabe und verschafft uns Freiraum für das Wesentliche.

Allerdings sollte man dieses Instrument sorgsam einsetzen. Nicht jede Aufgabe lässt sich an Mitarbeiter delegieren. Einerseits, weil es um vertrauliche und/oder persönliche Informationen geht. Andererseits weil man den Mitarbeiter damit überfordern würde. Oder, weil er sich durch Übertragung von Verantwortung nicht motivieren lässt.

5. Kommuniziere offen

Fragt man Mitarbeiter nach Schwierigkeiten im Unternehmen, fällt in den meisten Fällen ganz schnell das Wort Kommunikation. Die meisten Führungskräfte setzen sich gar nicht erst mit dem Thema auseinander, weil einfach davon ausgegangen wird, gute kommunikative Fähigkeiten zu besitzen. Dies trifft aber nur selten zu. Und genau deshalb sollte man sich Gedanken über die eigene Kommunikation machen und sich selbst darauf prüfen, ob man wirklich klar, respektvoll und offen kommuniziert. Wobei es sehr viele Aspekte der guten Kommunikation gibt, die schließlich jeder für sich selber finden muss.

Gute Kommunikation hat auch viel mit Zuhören zu tun. Wer nicht zuhören kann, sich nicht bewusst macht, wie viel wichtiger Input aus dem Team kommt, verschenkt schlichtweg Wissen und Zeit. Zuhören ist ein wichtiges Element des Respekts, den man seinen Mitarbeitern entgegenbringen sollte.

Ebenso wichtig: Transparenz. Unternehmensdaten offen darlegen, auch bei negativen Entwicklungen. Offen mit Fehlern umgehen, anstatt sie wegzureden. Dem Team das Gefühl vermitteln, dass man sich auf die Führung verlassen kann.

6. Baue Vertrauen auf

Jeder wünscht sich ein Klima, das von Vertrauen und gegenseitigem Respekt geprägt ist. Ein Klima, in dem Neid, Zweifel, Skepsis, Unsicherheit, Argwohn und Misstrauen keine Chance hat. Vertrauen ist Ausdruck einer intakten Beziehung – im Privaten wie im Job. Deshalb gelten auch hier wie dort dieselben Regeln, wie sich Vertrauen aufbauen und gewinnen lässt. Vertrauen kann man nicht befehlen, man muss es sich erarbeiten.

Man kann es sich erarbeiten indem man als Vorgesetzter tut, was man sagt. Indem man authentisch ist und bleibt und sich nicht verstellt. Durch Ehrlichkeit. Durch den offenen Umgang mit eigenen Fehlern und dem Anspruch, daraus zu lernen. Durch Offenheit gegenüber Vorschlägen und abweichenden Meinungen. Durch echtes Interesse an Mitarbeitern/Kollegen und ihren beruflichen wie persönlichen Problemen. Durch eine Einladung an die Kollegen, Verantwortung zu übernehmen und an Entscheidungen mitzuwirken. Durch eine offene und angstfreie Gesprächskultur. Durch Großzügigkeit bei der Weitergabe von Wissen und Kontakten. Durch Versprechen geben – und diese halten. Durch gerechte und transparente Leistungsbeurteilung – und entsprechende Bezahlung.

7. Nimm Dir Zeit für gute Gespräche

Eine gute Führungskraft erkennt man immer auch daran, dass sie aktiv Feedback durch die Mitarbeiter einfordert und diese ermuntert offen zu sprechen. Sich in einer vertraulichen Atmosphäre in regelmäßigen Abständen Zeit für Einzelgespräche zu nehmen zeigt jedem Teammitglied, dass es wichtig und nicht nur irgendein kleines Rädchen im Getriebe ist. Echte Wertschätzung ist auch hier das Zauberwort.

8. Fokussiere und priorisiere

Man kennt es – nach zehn Stunden anstrengender Arbeit ist die to do Liste am Abend eher angewachsen als geschrumpft. Das mag verschiedene Gründe haben. Es mag am Geschäft liegen, das brummt. An neuen Mitarbeitern, die eingestellt werden müssen. Oder an Problemen mit den bisherigen Mitarbeitern. Es mag aber auch daran liegen, dass man sich nicht auf das Wesentliche konzentriert, sondern sich seinen liebsten Themen mit Micromanagement liebend gerne widmet und die unangenehmen und wichtigen Themen hinausschiebt.

Wer sich als Führungskraft nicht dazu zwingt, sich auf das Wesentliche zu fokussieren und zu konzentrieren, der sitzt in der Falle oder in der Abwärtsspirale. Er wird niemals in der Lage sein eine größere Anzahl von Mitarbeitern gut zu führen. Er kann negative Tendenzen im Unternehmen nicht erkennen und nicht gegensteuern. Auch wenn er noch so fleißig ist, viele Überstunden schiebt und sich für die Firma aufreibt. Der Misserfolg ist vorgezeichnet.

9. Sei gelassen

Gelassen zu sein ist im beruflichen Kontext wahrscheinlich eine der schwierigsten Eigenschaften für Führungskräfte. Besonders wenn verdächtige Mitarbeiter wieder einmal lange krank ausfallen oder schwanger werden, Absprachen nicht eingehalten werden, Projekte den Bach runter gehen, Kunden abspringen oder sonstige Katastrophen Führungskräfte in Rage bringen und man am liebsten richtig laut werden möchte. Viele Führungskräfte fallen dann in unüberlegten Aktivismus, werden hektisch, ungehalten, unberechenbar und bemerken nicht mehr, was wirklich um sie herum passiert.

Gelassenheit bedeutet hingegen, auch in schwierigen Situationen Ruhe und Kontrolle zu bewahren und Emotionen aus der Situation zu nehmen. Es bedeutet, sich selber nicht als den Mittelpunkt der Welt zu sehen. Vieles mit einer Prise zu Humor versehen. Und sich von dem Druck zu befreien, alles unter Kontrolle haben zu müssen. Alles maximieren zu müssen. Immer blendend dar zu stehen. Gelassenheit führt dazu, dass sich Mitarbeiter wohler und sicherer fühlen und weniger unter Druck gesetzt fühlen.

Meines Erachtens wächst der Anteil an Gelassenheit mit dem Alter und mit der beruflichen Erfahrung, mit Erfolgen und mit finanzieller Sicherheit. Aber auch mit erlebten Misserfolgen. Wer zum Beispiel ein Examen oder eine gefragte Qualifikation in der Tasche hat, braucht sich um seine berufliche Zukunft in der Regel keine Sorgen mehr zu machen. Wer verschiedene berufliche Niederlagen und Drucksituationen hinter sich und aus ihnen gelernt hat wird feststellen, dass das Leben auch nach Niederlagen weiter gegangen ist. Wer im Alter bereits Erfolge gefeiert hat, braucht sich der der Welt nichts mehr zu beweisen.

10. Spiegel dich und reflektiere

Sich mit seinen Kollegen auf der gleichen Stufe – also Mitgründer, Manager oder C-Level – zu treffen, laufend im Gespräch miteinander zu sein und berufliche Anlässe auch zu einem Austausch in geselliger Runde zu nutzen fördert das Miteinander auf Deiner Stufe und ist für Führungskräfte unerlässlich.

Aber um zu verstehen, ob man sich mit seiner Art zu führen auf dem richtigen Weg befindet ist es ratsam, sich entweder selbst zu reflektieren oder einen Blick aus einer anderen Perspektive zu erhalten. Für die strukturierte Selbstreflektion stehen verschiedene Techniken zur Wahl. Dabei bewertet man seine Zufriedenheit in den relevantesten beruflichen Bereichen und leitet daraus entsprechende Schritte für die Zukunft ab. Eine andere Alternative sich zu spiegeln bietet Coaching oder Mentoring. Wobei der Coach als eine Art Weg Begleiter auf dem Weg zum Gipfel dient. Manchmal hinterfragt er kritisch und führt zur Lösung, manchmal berät er und gibt seine Erfahrungen weiter und ein anderes Mal dient er als Gesprächspartner

_________
Ob jung oder alt – wenn man als Führungskraft diese zehn elementaren Grundsätze guter Führung nicht befolgt, helfen auch alle Tipps und Tricks aus Leadership- und sonstigen Büchern nicht. Junge Führungskräfte können bei vorhandenem Fachwissen auch schon in jungen Jahren mit bestimmten Charaktereigenschaften, mit vorhandener Lernwillig- und Lernfähigkeit im Bereich der notwendigen Softskills bereits gute Vorgesetzte sein. Mit zunehmendem Alter gewinnen sie Erfahrungen hinzu, die Ihre Leadership Skills weiter festigen und erweitern. Allerdings schützt Alter nicht vor einem „Bad Boss“, der aufgrund verschiedener Gründe wie z.B. Über- oder Unterforderung oder einer narzisstischen Veranlagung seinen Mitarbeitern das Leben schwer machen kann.

_________