Die Theorie der 7 Phasen des Überganges in den Ruhestand wurde von Robert Atchley begründet. Robert Atchley war ein amerikanischer Soziologe und Gerontologe und Professor an der Naropa University/ Colorado/USA. Er leitete von 1988 bis 1990 die American Society on Aging. In seinem Buch “Soziologie des Ruhestandes” aus dem Jahr 1979 hat er ein Modell vorgeschlagen, das den Ruhestand als einen Prozess versteht, der grundsätzlich aus sieben Phasen besteht. Diese Phasen beschreibt er wie folgt:
Phase 1: Die entfernte Phase. Diese Phase beginnt mehrere Jahre vor dem Renteneintritt. Man ist noch sehr aktiv im Berufsleben. Manche sind in gehobener Position und denken eher selten an das Thema Ruhestand. Vielleicht mal bei Abschieden von Kollegen. Aber das Thema erscheint am Horizont und meldet sich ab jetzt öfter. In dieser Phase haben die zukünftigen Ruheständler eine positive, allerdings noch sehr vage und verschwommene Vorstellung vom Ruhestand, der ihnen als eine Zeit der Freiheit und des Vergnügens vorschwebt. Man macht sich in dieser Phase eher Gedanken über die noch verbleibende Zeit der beruflichen Tätigkeit und bespricht im Idealfall mit seinem Arbeitgeber die beruflichen Pläne bis zum Renteneintritt. Darin sind auch enthalten mögliche Übergaben an Nachfolger oder auch noch ein Wechsel der Tätigkeit im Betrieb. Eventuell kümmert man sich auch bereits um finanzielle Belange und kümmert sich seine künftigen Rentenbezüge. Aber man hat noch keine konkreten Pläne oder Vorbereitungen für die neue Lebensphase.
Natürlich gibt es auch diejenigen, bei denen die Arbeit ausschließlich zur Sicherung der lebensnotwendigen Einkünfte dient. Für diese Gruppe kann der Ruhestand nicht früh genug beginnen. Sie sehnen das Ende der Arbeit herbei und denken naturgemäß öfter und früher an den Ruhestand als die oben beschrieben Gruppe. Sie haben schon früher ihre künftigen Rentenbezüge ermittelt und planen bereits die Zeit in der Rente.
Phase 2: Die Nähe Phase. Diese Phase tritt mit dem nahenden Ruhestand ein, spätestens wenn das letzte Jahr der restlichen beruflichen Tätigkeit anbricht. Wenn man etwas zum letzten oder vorletzten Mal macht, sein es Betriebsfeiern, Geburtstage, Fortbildungen oder sonstige betriebliche Rituale. In dieser Zeit wird man sich bewusst, dass man bald aus dem seit vielen Jahren gewohnten Arbeitsleben ausscheiden wird. Dass man seine Kollegen und Kolleginnen ebenso verlieren wird wie seinen gewohnten Tagesablauf, seine Aufgaben und seine liebgewonnenen Gewohnheiten.
Wenn man zur Fraktion derjenigen gehört, für die der Beruf eher eine Qual und ein notwendiges Übel zum finanziellen Überleben war und man den Beginn der Rente eher als Erlösung betrachtet, dann allerdings sehnt man eher das Ende der beruflichen Tätigkeit herbei und die Zeit kann gar nicht schnell genug vorüberziehen.
In dieser Phase beginnt man sich etwas konkreter mit verschiedenen Aspekten des Ruhestandes auseinander zu setzen. Man studiert Bücher oder bedient sich der professionellen Hilfe eines Coaches. Und man greift aus dem überwältigend großen Angebot an Tätigkeiten im Ruhestand eher planlos einige reizvoll erscheinende Aktivitäten heraus. Man plant Reisen, man überlegt den Garten neu zu gestalten, Veränderung in der Wohnung oder dem Haus vorzunehmen, ein Musikinstrument oder eine Sprache neu zu erlernen. Oder man plant eine andere berufliche Tätigkeit auszuüben. Oer bei seinem bisherigen Arbeitgeber weiterzuarbeiten, allerdings in flexibler und in einer anderen Rolle. Eventuell treten allerdings auch unterbewusst Zweifel und Ängste über die bevorstehende Veränderung auf, weil die Zeit nach der Erwerbstätigkeit letztlich doch einen, wenn nicht sogar den elementarsten Übergang im Leben eines Menschen darstellt, auf den man durch die Gesellschaft nicht vorbereitet wird. Aber das positive Gefühl und die Vorfreude überwiegt.
Phase 3: Die euphorische Phase Diese Phase beginnt mit dem Abschied aus dem Betrieb und dem tatsächlichen Eintritt in den Ruhestand und ist von einem Hochgefühl gekennzeichnet. Sie wird daher auch „Honeymoon Phase“ genannt. Der Wegfall der Arbeitspflicht wirkt wie eine Befreiung. Man genießt die ersten Tage der neu gewonnenen Zeit und der Selbstbestimmung. Es fühlt sich an wie Urlaub zuhause. Man steht später auf, hat ein ausgiebiges Frühstück, liest viel, lebt eher in den Tag hinein, widmet sich seinen Hobbys, besucht Freunde und Verwandte, unternimmt Reisen, tätigt Anschaffungen und fühlt sich insgesamt sehr zufrieden und glücklich. Manchmal erlebt man allerdings auch Freizeitstress, wenn man der Gefahr erliegt, so viele Aktivitäten wie möglich zu unternehmen. Und man merkt am Ende des Monats jedes Mal, dass die Rentenbezüge doch erheblich geringer ausfallen als die monatlichen Gehaltsüberweisungen. Aber man ist zunächst rundherum glücklich und zufrieden mit seinen ersten Tagen und Wochen der neuen Lebensphase. Man fühlt sich vital und jung.
Phase 4: Die Phase der Ernüchterung. Nach der ersten euphorischen Phase allerdings können sich die eigentlichen Folgen des Ruhestands langsam etwas konkreter abzeichnen. Ohne sinnvolle Planung beginnt man jetzt zu realisieren, dass der Ruhestand eben nicht nur aus Reisen, Familie und Erholung besteht. Nur knapp 50% der Menschen planen ihren Ruhestand und fast 40% geraten nach der ersten Phase in ernsthafte Probleme, viele davon in eine Sinnkrise. Man weiß nicht mehr, wofür man noch gebraucht wird, wofür es sich lohnt, morgens aufzustehen. Das erste halbe Jahr nach dem regulären Renteneintritt gilt daher als eine für die Gesundheit sehr gefährliche Phase, in der es sehr oft zu Langeweile und Depressionen kommen kann. Anzeichen für die aufkommende Krise können sein:
- Langeweile. Man lebt in den Tag hinein, ohne wirkliche Struktur und Ordnung.
- Abnehmendes Selbstwertgefühl. Keine richtige Aufgabe. Fehlender Lebenssinn. Fehlendes Gefühl, gebraucht zu werden. Fehlende Anerkennung und Wertschätzung. Keine Motivation.
- Streit mit dem Partner. Schlechte Laune, wenig eigene Aktivitäten, Gewichtszunahme, Unwohlsein. Man wird zu einem mürrischen Alten, der überwiegend in der Vergangenheit lebt.
- Man beginnt seine Lebensleistungen und Lebensentscheidungen zunehmend kritisch zu hinterfragen und bereut und bedauert, was man alles versäumt und nicht gemacht hat. Und was nicht mehr nachholen kann.
- Man vergleicht sich zunehmend mit anderen – oft nicht zum eigenen Vorteil.
- Man denkt viel über Krankheiten nach und sorgt sich um seine Gesundheit. Man denkt zunehmend über die eigene Sterblichkeit und sein Vermächtnis.
- Die intensive Zeit zum Nachdenken und Reflektieren über den Sinn und Zweck des eigenen Lebens in der Zukunft führt zu Gefühlen von Reue, Groll, Angst und ggfs. in Depressionen. Man wird einsamer.
Phase 5: Die Phase der Neuorientierung. Diejenigen, die sich bereits vor dem Eintritt in den Ruhestand Gedanken und einen Plan für die Zeit danach gemacht haben, werden höchstwahrscheinlich die Phase der Ernüchterung gar nicht erleben und werden daher auch nicht die Phase der Neuorientierung benötigen.
Diejenigen, die unvorbereitet in den Ruhestand gegangen sind, steht jetzt die Aufgabe bevor, die sorgfältige und ernsthafte Planung des Ruhestandes nachzuholen, um ihrem Leben wieder eine Struktur und einen tieferen Sinn zu geben. Entweder durch Gespräche, durch Literaturstudium oder durch Coaching und Workshops. Durch Reflektieren der aktuellen Situation und Standortbestimmung in allen Lebensbereichen. Durch Herausarbeiten der eigenen Identität, der Stärken, der Kompetenzen, der eigenen Werte, der Persönlichkeit, den Interessen, Lieblingstätigkeiten und Glücksquellen. Um auf Basis dieser Bestandaufnahme herauszufinden, welche Rolle man in der neuen Lebensphase einnehmen möchte, wer man sein möchte – und was man in der Zukunft auch gerade nicht mehr machen möchte.
Phase 6: Die Stabilitätsphase. In dieser Phase ist der Übergang beendet. Es ist eine Phase der Stabilität und des Wohlbefindens, in der man eine positive Einstellung zum Ruhestand findet und sich an die neue Lebenssituation angepasst hat. Man empfindet den Alltag wieder als normal. Man hat einen festen Lebensrhythmus und seine Routinen entwickelt. Man hat eine klare Identität und eine Aufgabe im Leben gefunden. Man pflegt soziale Beziehungen und nimmt an Aktivitäten teil, die seinen Interessen und Bedürfnissen entsprechen. Man ist bestenfalls sehr zufrieden mit seinem neu gewonnenen Leben, mit dem ziemlich besten Ruhestand.
Phase 7: Die Beendigungsphase. Diese Phase ist die letzte Phase des Ruhestandes und tritt ein, wenn die Person aufgrund von Alter oder Krankheit ihre Unabhängigkeit verliert oder auf Pflege angewiesen ist. In dieser Phase nimmt die Selbstbestimmtheit und damit die Zufriedenheit ab. Aber man hat sich auch darauf vorbereiten können. Zeit für einen entspannten Rückblick auf sein Leben und um Bilanz zu ziehen.
Das Modell von Robert Atchley ist eines der bekanntesten Modelle zur Beschreibung des Übergangs in den Ruhestand. Es bietet einen nützlichen Rahmen für das Verständnis der psychologischen und sozialen Aspekte dieses Lebensabschnitts. Allerdings ist das Modell nicht universell gültig, da nicht alle Menschen alle Phasen durchlaufen oder in derselben Reihenfolge erleben. Außerdem können individuelle Faktoren wie Persönlichkeit, Gesundheit, Finanzen oder soziale Unterstützung einen großen Einfluss auf die Erfahrung des Ruhestandes haben. Daher ist es wichtig, den Ruhestand als einen individuellen und dynamischen Prozess zu betrachten, der Anpassung und Flexibilität erfordert.
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