Die letzten 100 Tage als Führungskraft

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Top 10 Tipps für das Verhalten als Führungskraft in den letzten 100 Tage. Proaktive Übergabe von Verantwortung im Unternehmen und Planung des eigenen Ruhestands. Ein persönlicher Rückblick.

Es gibt viel Literatur über die ersten 100 Tage im Job oder die ersten 100 Tage als CEO. Aber es gibt wenig Beiträge über die letzten 100 Tage. Das können die letzten 100 Tage vor dem Wechsel zu einem anderen Unternehmen sein. Oder das planmäßige Ende der originären beruflichen Laufbahn und der Wechsel in die nächste Lebensphase. Darum soll es hier im Folgenden gehen. Wie führt man die letzten 100 Tage zum Erfolg. Für die Firma und für sich selbst.

Es geht um die bewusste Gestaltung des Übergangs. Um proaktive strategische Entscheidungen, um verantwortungsvolles Planen, um offene, ehrliche und durchdachte Kommunikation. Um die Staffelübergabe an die nächste Generation. Es geht darum, das Unternehmen in einem guten Zustand zu verlassen und dafür zu sorgen, dass man sich gegenseitig in guter Erinnerung behält.

Aber es geht dabei unweigerlich auch um die eigene Gefühlslage. Beim Übergang in den Ruhestand handelt es sich immerhin um die größte Veränderung im Leben eines jedes beruflich tätigen Menschen. Wie es mir dabei erging und welche Top 10 Tipps für den besten Übergang in den Ruhestand daraus und aus meinen Erfahrungen als Coach entstanden sind, habe ich im Folgenden zusammengefasst.  

Rückblick

Am 1. September 1985 startete ich in den Job. Es folgte eine für die damalige Zeit typische Karriere. Steuerberater- und Wirtschaftsprüferexamen, später Promotion zum Partner. Steigende Verantwortung, mehr Arbeit, viele Reisen. Viele verschiedene Städte und Länder. Ständige Veränderungen in allen beruflichen Bereichen. Dazu kontinuierliche persönliche Weiterentwicklung und über 10 private Umzüge. Lange Zeit Hamburg, dann Boston/Massachusetts und ab 2002 Berlin. Bis zum 30. Juni 2020. Fast 35 Jahre. Die Zahl der Mitarbeiter meiner Firma in Deutschland wuchs von 300 im Jahr 1985 auf über 12.000 im Jahr 2020.   

In den Berliner Jahren kamen der Aufbau des Bereichs Gesundheitswirtschaft, der Aufbau des Bereichs Startups sowie die Abteilungsleitung mit über 300 Mitarbeitern an 3 Standorten und die Berufung ins überregionale Managementteam hinzu. Daneben eine stetig steigende Anzahl von Mandaten und Kollegen.

Obwohl dies alles bei nur einem Arbeitgeber stattgefunden hat, fühlte sich mein Job niemals langweilig an. Ich habe berufsbedingt sehr viel mit Rechnungslegung, Bilanzierung, Finanzierung und Steuern zu tun gehabt und darüber hinaus tiefe und interessante Einblicke in sehr viele unterschiedliche Branchen erhalten, insbesondere Gesundheit und Technologie sowie Startups. Was mich neben dem Entwickeln von neuen Geschäftsfeldern und der Übernahme von Verantwortung aber am meisten gereizt und mir die größte Freude bereitet hat, war einerseits die persönliche Weiterentwicklung durch viele neue Projekte. Und andererseits die vielen Begegnungen mit interessanten und unterschiedlichen Menschen. Mit Mandanten ebenso wie im eigenen Unternehmen im Recruiting, als Trainer, als Mentor und Councelor sowie als Führungskraft.  

Lange Zeit vor den letzten 100 Tagen

5 Jahre vor dem Ende der beruflichen Tätigkeit begannen die ersten, allerdings noch sehr zarten Gedanken an das Ende meines Jobs. Ich begann zu überlegen, welches exakte Datum mein letzter Tag sein könnte. Aber er war noch sehr weit weg. Ich war noch voll im Tagesgeschäft verhaftet und übernahm sogar noch neue Verantwortung. In meinem Fall die Leitung einer ganzen Abteilung – zusätzlich zum Tagesgeschäft.

Aber der mit der Zeit immer öfter aufkommende Gedanke an das Ende meiner Tätigkeit verschaffte mir persönlich allerdings auch etwas Erleichterung. Das Gefühl zunehmender Dankbarkeit und Demut kam hinzu. Insbesondere, da ich mit dem Verlauf meiner Karriere sehr zufrieden war.  Ich entschloss mich daher gute 2 Jahre vor dem Ende das Thema Ruhestand mit meinem Coach einmal konkret anzugehen und mich bis dahin zu mit voller Kraft meinen aktuellen Themen zu widmen.

Kurz vor den letzten 100 Tagen

Wie geplant arbeitet ich mit Hilfe meines Coaches heraus, wie ich die neue Lebensphase sinnvoll angehen könnte. Ich fühlte mich körperlich und geistig noch sehr agil. Einerseits widerstrebte mir der Gedanke, aufhören zu müssen. Andererseits begann ich mich mit dem Gedanken anzufreunden, nicht mehr jeden Tag früh aufstehen zu müssen und abends spät nach Hause zu kommen.

Ich gehöre zu den Menschen, die wahrscheinlich etwas mehr als andere Spaß an ihrem Beruf hatten. Die durch ihn einen gewissen Status, Anerkennung, Wertschätzung und viele soziale Kontakte gewonnen hatten. Diesen Menschen fällt der Abschied aus dem Beruf schwieriger. Ich wollte daher herausfinden, welche Bestandteile meines bisherigen Berufs mir so viel Spaß machten, dass ich sie sehr gerne weiterhin ausüben würde – und welche auch nicht. Warum es aus meiner Sicht sehr wichtig ist, sich rechtzeitig mit dem Thema Ruhestand zu beschäftigen, habe ich in diesem Beitrag zusammengefasst.   

Rechtzeitig vor den letzten 100 Tagen hatte ich gemeinsam mit meinen Vorgesetzten und Kollegen einen Plan aufgestellt, wie wir die Übergabe von Funktionen strategisch gestalten und Reibungs- bzw. Vertrauensverluste vermeiden. Im Unternehmen waren daher rechtzeitig alle entsprechenden Entscheidungen getroffen worden. Ich hatte eine Nachfolgerin in der Abteilungsleitung, die ich bereits seit längerer Zeit einarbeitete. Auch für den Bereich Startups gab es einen Nachfolger.  Auch meinen Mandanten hatte ich frühzeitig von meinem Ausscheiden berichtet. Wir hatten gemeinsam im Team passende Nachfolger bestimmt und ich begann die Kollegen vorzubereiten und mein Know How entsprechend weiterzugeben, damit es im Unternehmen blieb.

Die letzten 100 Tage

Im Nachhinein hatte dieses proaktive Vorgehen und die frühen strategischen Entscheidungen bei den Nachfolgeregelungen für die letzten 100 Tage für mich, aber auch für alle Beteiligten eine sehr entlastende und befreiende Wirkung. Es machte unsere Köpfe frei. Es gab in den letzten 100 Tagen keine Unsicherheiten und keine quälend langen Diskussionen wegen offener Entscheidungen. Es gab stattdessen einen klar umrissenen Plan und einen unumkehrbaren Countdown.

Die letzten 100 Tage im Job begannen im April 2020 und mit den Folgen von Corona, weshalb ich überwiegend im häuslichen Arbeitszimmer arbeitete.  Dies hatte Vor- und Nachteile zugleich. Der Vorteil war, dass sich dadurch der Übergang sehr fließend anfühlte. Ich hatte mir meinen Resturlaub auf die letzten 13 Woche verteilt, so dass ich 3-4 Tage in der Woche für meinen alten Job tätig war und 1-2 Tage für meinen „neuen Job“. Ich hielt die entsprechenden Meetings nun online ab, organisierte weiterhin die Übergaben und begann, meine eigenen Aufgaben und Projekte planmäßig zu beenden. Ich wollte unter keinen Umständen offene Flanken hinterlassen.

Gleichzeitig begann ich mich intern neu zu organisieren und mich auf meine neuen Aufgaben als Business Coach, Mentor, Aufsichtsrat und Business Angel vorzubereiten. Dazu gehörten auch Themen, bei denen man wenig Begeisterung verspürt, wie zum Beispiel den eigenen Laptop, ohne die Hilfe der IT-Abteilung einzurichten. Auch es musste ein neues Smartphone, ein neuer Vertrag und eine neue Telefonnummer her. Kontakte mussten ein- und übertragen werden, neue Visitenkarten mussten gedruckt werden. Gleichzeitig befand ich mich noch in der Ausbildung zum Business Coach und war mit Probecoachings sehr aktiv, um mich auf diesen Teil meiner zukünftigen Tätigkeit vorzubereiten. Die Vorfreude überwog daher die Unsicherheit.        

Trotz Corona gab es zum Abschied eine Feier im kleinen Kreis, bei der viele Kollegen digital zugeschaltet waren. Man sagt, dass eine Laudatio am letzten Tag besonders wichtig sei. Und in der Tat erinnere ich mich bis heute sehr gerne an die Worte der Kollegen. Ansonsten ist die Gefühlslage am letzten Tag unsortierbar. Man merkt, dass man ersetzbar ist. Und wenn man seine persönlichen Sachen gepackt hat und am Abend das Gebäude verlässt, dann ahnt man, dass man nie wieder als Angestellter dieser Firma das Gebäude betreten wird. Sondern als Gast – wenn man nicht als Teilzeitjobber der Firma über Personalengpässe hinweghelfen wird. Und dass man am nächsten Morgen nicht wieder erscheinen wird, sondern ausschlafen kann.       

#Meine persönlichen Top 10 Tipps für die letzte 100 Tage als Führungskraft  
1Entwickle rechtzeitig Gedanken und Ideen darüber, wie du deine nächste Lebensphase gestalten möchtest. Mache einen Plan und beginne zeitgerecht entsprechende Vorbereitungen.  
2Beginne zeitgerecht mit der proaktiven und wohlüberlegten Übergabe von Verantwortung im Unternehmen. Triff gemeinsam mit deinen Vorgesetzten strategische Entscheidungen. Plane Nachfolgen konstruktiv und positiv und insgesamt lieber früher als später.    
3Erstelle einen Countdown-Plan, der die verbleibende Zeit konkret, aber auch nicht übermäßig strukturiert. Plane unbedingt, deine eigenen Aufgaben und Projekte rechtzeitig und möglichst ohne offene Themen abzuschließen. Hinterlasse keine unerledigten Aufgaben. Beginne daher auch keine neuen großen Projekte.  
4Plane eine gute und durchdachte Kommunikation deines Ausstiegs sowohl innerhalb des Unternehmens als auch mit externen Stakeholdern.  
5Beginne mit Übergaben und Wissenstransfer. Intensiviere die Einarbeitungen deiner Kollegen in deine Aufgabenfelder, um das Know How im Unternehmen zu halten und den Stab in einem guten Zustand zu übergeben.   
6Versuche in Abstimmung mit deinem Arbeitgeber und deinem Team in den letzten 100 Tagen einen fließenden Übergang zu erreichen, z.B. indem Du etwaigen Resturlaub auf deine letzten 100 Tage verteilst und gleichzeitig bereits für dein neues Leben aktiv wirst.  
7Beginne dein privates Büro zu organisieren, wenn notwendig. Eigenes Smartphone, eigener Laptop, eigener Provider. Beginne deine neuen Kontaktdaten zu kommunizieren. Erstelle Kontaktlisten und wäge ab, mit wem deiner Kollegen, Kunden bzw. Partnern zu weiterhin in Kontakt bleiben möchtest. Versuche möglichst viele davon vor deinem Abschied persönlich zu treffen, zum Beispiel zum Lunch.  
8Beginne Dich zu entspannen und entwickele einen neuen Rhythmus für dein neues Leben. Sei gelassen und heiter. Gerade dann, wenn es mal nicht so läuft wie du es dir vorgestellt hast. Das Leben wird weitergehen.  
9Beginne dich mental auf den letzten Tag vorzubereiten. Schreibe eine Abschiedsmail.  
10Nimm Dir etwas sehr Besonderes vor, auf das Du Dich wirklich freuen kannst. Zum Beispiel ein spezielles Dinner in deinem Lieblingsrestaurant am letzten Tag und/oder einen Fallschirmsprung, eine Ballonfahrt an deinem ersten Tag im neuen Leben.