Mit mehr Flexibilität auch im Ruhestand arbeiten?

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Unter welchen Umständen würden Babyboomer gerne weiterarbeiten? Wie passt das mit dem überwältigenden Wunsch nach einem Frühausstieg zusammen? Warum sind die letzten Arbeitsjahre die schwierigsten? Welche Chancen ergeben sich für Arbeitgeber, ältere Arbeitnehmer in ihren letzten Arbeitsjahren zu motivieren und sogar darüber hinaus zu binden?

Nach einer aktuellen Studie des Lehrstuhls für Arbeitswissenschaft an der Bergische Universität Wuppertal[1] geben zwei Drittel der Befragten an, dass sie nur bis zu einem Alter von 64 Jahren arbeiten möchten. Andererseits geben fast 4 von 5 Befragten an, dass sie sich unter bestimmten Umständen vorstellen könnten, sogar länger zu arbeiten. Wie passen diese – auf den ersten Blick konträren – Ergebnisse der Studie zusammen? Und welche Chancen ergeben sich daraus für Arbeitgeber, die in den nächsten Jahren einen wichtigen Teil ihrer Arbeitnehmer aus Altersgründen verlieren werden, ohne dabei einen gleichwertigen Ersatz auf dem Arbeitsmarkt zu finden?

Problem des nicht realisierten Wunsches nach einem Frühausstieg

Die Gründe für den Wunsch nach einem frühen Ausstieg aus dem Arbeitsleben sind vielfältig und hängen stark von dem jeweiligen Beruf und den privaten Verhältnissen des Arbeitgebers ab. Interessanterweise ändern sich die Ausstiegswünsche mit steigendem Alter: Je älter die Befragten wurden und je mehr sie sich dem Renteneintritt nähern, desto weiter verschiebt sich der Ausstiegswunsch auf einen späteren Zeitpunkt. Der Wunsch nach einem früheren Ausstieg, der aber nicht realisiert wird, kann für viele ältere Beschäftigte zu einer Belastung werden. Sie wollen eigentlich gehen, können es aber – oft aus wirtschaftlichen Gründen – nicht. Für Arbeitgeber können diese Arbeitnehmer zu einem Risiko und Ärgernis werden, weil sie in den letzten Arbeitsjahren die Tage bis zum Rentenbeginn zählen, ihre Zeit widerwillig absitzen und nur noch „Dienst nach Vorschrift“ machen. Sie sind zudem häufig krank und verbreiten nicht selten schlechte Stimmung mit viel Sarkasmus.

84% mit Wunsch nach mehr Flexibilität

Schaut man sich die Gründe an, warum die Befragten gerne früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden möchten, dann ist der Wunsch nach Selbstbestimmung der absolute Topkandidat. Mehr freie Zeit zu haben und sich nicht mehr den Zwängen des Arbeitslebens unterwerfen zu müssen nennen 84 bzw. 64% als Grund dafür, früher aufhören zu wollen. Anstrengende Arbeit und gesundheitliche Probleme sind weitere Gründe, stehen aber nicht an erster Stelle.

78% würden unter bestimmten Bedingungen weiterarbeiten

Schaut man auf die Bedingungen, unter denen die älteren Beschäftigten bereit wären, weiterhin zu arbeiten, trifft man auf einen alten Bekannten: Flexibilität.  Wenn man frei bestimmen könnte, wieviel und wann man arbeitet, die Arbeit entsprechend vergütet wird, interessant ist und gute soziale Kontakte außerhalb der Familie entstehen oder bestehen bleiben, dann könnten sich die Befragten vorstellen, sich längerfristig an den Arbeitgeber zu binden.

Wie aber passt dieses Ergebnis der Studie mit dem überwiegenden Wunsch nach Frühausstieg zusammen? Und wie passt es zusammen mit den aktuellen Erfahrungen vieler Betriebe, bei denen nur ein verschwindend geringer Anteil von älteren Beschäftigten auch nach dem Erreichen des Rentenalters weiterhin im Betrieb tätig sein wollen? Was läuft schief? Und was kann man ändern?

Warum für viele Beschäftigte die letzten Arbeitsjahren die schwierigsten sind

Aus unterschiedlichsten Gründen gelten die letzten Arbeitsjahre für ältere Beschäftigte als die schwierigsten im Arbeitsleben. Ab einem gewissen Alter beginnt jeder Beschäftigte unweigerlich über seine letzten Arbeitsjahre nachzudenken.

Die Arbeitswelt verändert sich ständig. Immer wieder neue Tools, Verfahren und Umstrukturierungen können dazu führen, dass man sich unsicher fühlt. Jüngere Mitarbeiter werden befördert und ziehen an einem vorbei, werden sogar Vorgesetzte. Bei Weiterbildungsangeboten wird man übergangen weil kein Bedarf mehr für Weiterbildung gesehen wird. Man fühlt sich nicht mehr gefordert und hat keine motivierenden Perspektiven mehr für die letzten Arbeitsjahre. Dazu gesellen sich unter Umständen altersbedingte gesundheitliche Themen, die den Arbeitsalltag belasten. Oder man hat aufgrund der jahrelangen Arbeitsbelastung, Stress und ständigem Druck Anzeichen von Erschöpfung oder Burnout, die das eigene psychische Wohlbefinden und die Motivation negativ beeinträchtigen.

Kurz gesagt – diese Umstände tragen in vielen Unternehmen dazu bei, dass man beginnt sich langsam zum „alten Eisen“ zu fühlen und teilweise sogar innerlich kündigt. Vorfreude auf die nächsten Jahre: Fehlanzeige. Dienst nach Vorschrift. Keine Überstunden. Geringere Arbeitsleistung. Unzufriedenheit. Lieber heute als morgen aufhören, wenn es nur ginge. Zeit bis zur Rente absitzen. Das Horrorszenario für jedes Unternehmen – aber auch für den Mitarbeiter.

Diese überaus negativen Arbeitsfaktoren stehen oft im Gegensatz zum eigenen Gefühl. Man fühlt sich noch sehr vital und fit. Ganz abgesehen vom Gerede von Best Agern, Jungsenioren oder den jungen Alten. Um der Perspektivlosigkeit der nächsten Arbeitsjahre zu entkommen, entsteht dann zunehmend der Wunsch nach einem möglichem Frühausstieg und der „Rettung“ durch den Ruhestand, der in diesem Fall Freiheit und Selbstbestimmung bedeutet.

Chancen für Arbeitgeber

Für Arbeitgeber bedeutet dies die große Chance aber auch Notwendigkeit, unbedingt mit jedem älteren Beschäftigen rechtzeitig[2] ein offenes Gespräch über die positive Gestaltung seiner letzten Arbeitsjahre und seinen persönlichen Übergang in den Ruhestand zu suchen. Insbesondere dann, wenn 25% oder mehr der aktuellen Arbeitsplätze von älteren Beschäftigten besetzt werden, die in den nächsten Jahren planmäßig in Rente gehen. 

Nachdem das frühzeitige Gespräch über die weitere Zukunft des Beschäftigten, über seine Bedürfnisse und Wünsche oder auch Befürchtungen in einem offenen Rahmen geführt wurde, ergeben sich für den Arbeitgeber, aber auch für die Beschäftigten viele Vorteile und Optionen. Der Beschäftigte gewinnt das Gefühl, das der Arbeitgeber ihn in den Entscheidungsprozess und sein Wohlergehen in der Zukunft kümmert. Er merkt, dass der Arbeitgeber seine Karriereziele und seine Interessen versteht, wodurch insgesamt Vertrauen gestärkt und dadurch ein besseres Arbeitsklima entstehen kann. Und unter den oben genannten Bedingungen kann sich daraus sogar die Option ergeben, den Mitarbeiter auch nach seinem Übergang in den Ruhestand im Rahmen eines flexiblen Arbeitszeitmodells bei entsprechender Bezahlung an das Unternehmen zu binden. Und somit wichtiges Wissen und Know-how noch für eine weitere Zeit im Unternehmen zu halten.  

Resultat: Top 10 Vorteile von frühzeitigen Gesprächen mit älteren Beschäftigten

#Top 10 Vorteile von frühzeitigen Gesprächen  
1Höhere Planungssicherheit für beide Seiten  
2Höhere Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung  
3Höhere Motivation für den Beschäftigten und das Gefühl gebraucht zu werden  
4Höhere Leistung und Produktivität durch Sicherheit über die letzten Jahre  
5Bessere Vorbereitung der Nachfolgeplanung im Unternehmen 
6Besserer Wissenstransfer durch geplante Weitergabe von wichtigem Wissen  
7Möglichkeit vom Wechsel der Tätigkeit im Unternehmen, Vorteile für beide Seiten  
8Möglichkeit einer flexiblen Weiterbeschäftigung auch im Ruhestand  
9Erhalt von Strukturen, Kollegen und Aufgaben durch sinnvolle und flexible Arbeit  
10Insgesamt besseres Arbeitsklima durch höhere Wertschätzung  

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Informationen über unsere Angebote zum Thema Ruhestandcoaching und Interne Fortbildungsmaßnahmen für Vorgesetzte und Mitarbeiter rund um das Thema Ruhestand finden Sie unter www.ziemlich-bester-ruhestand.de

Informationen über Einzelcoachings rund um berufliche Themen finden Sie unter www.peterlennartz.de sowie  www.unternehmensberatung-warnke.de


[1] „Warum wollen ältere Beschäftigte früh in Rente?“ Ergebnisse der Lida-Kohortenstudie aus 2022/23, Online-Kurzversion. Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft, Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik, Bergische Universität Wuppertal. www.lida-studie.de

[2] Der einzig „richtige“ Zeitpunkt dafür besteht nicht und hängt von der jeweiligen betrieblichen und privaten Situation ab. Er kann bereits mit 50 Jahren sein, er kann aber auch erst später, z.B. mit 55 Jahren sein.